Warum ich mich nicht mehr für eine Sache entscheide – und genau das mein Erfolgsrezept wurde
„Julia, sag mal, weißt du, was eine Scanner-Persönlichkeit ist?“
Mit diesem Satz ging damals alles los. Es war 2013, ich mitten in meinem Studium zur Veranstaltungsbetriebswirtin, das ich neben meinem 60-Stunden-Eventjob machte – und eigentlich schon halb aus dem Vorlesungssaal raus, als mein Dozent mich bat, noch kurz zu bleiben und mir diese Frage stellte. Ich hatte keine Ahnung.
Er erzählte mir etwas von bunten Zebras und Menschen, die Verknüpfungen anders herstellen. Und er empfahl mir das Buch „Du musst dich nicht entscheiden, wenn du 1000 Träume hast“ von Barbara Sher. Zugegeben: Er war ein bisschen eigen, ich irritiert von der Zebra-Nummer, und mein Lieblingsdozent war er auch nicht gerade. Und doch war er der Auslöser für etwas, das mein Leben grundlegend verändern sollte.
Der Moment, in dem alles Sinn ergab
Meine Neugier war geweckt – keine allzu große Herausforderung bei mir. Neue Themen haben mich schon immer brennend interessiert. Dass genau das ein typisches Merkmal dieser sogenannten Scanner-Persönlichkeiten ist, wusste ich damals noch nicht.
Aber als ich das Buch in den Händen hielt, dachte ich immer und immer wieder: „Jetzt macht alles Sinn!“
Zum Beispiel meine Ausbildung. Obwohl ich schon als Kind überzeugt war, dass ich irgendwann selbstständig sein werde, musste ja „erstmal was Solides“ her. Ich wälzte Ideen von Modedesign über Lehramt, Grafikdesign bis hin zu Sozialpädagogik – am Ende landete ich im Hotelfach.
Warum? Weil es alle drei Monate eine neue Abteilung, neue Aufgaben, neue Mitarbeitende, neue Abläufe gab. Abwechslung pur – genau mein Ding. Dass ich in manchen Abteilungen auch sechs Monate bleiben sollte war noch verkraftbar, die Frage, in welche Abteilung ich danach gerne fest gehen wollen würde, war die größere Herausforderung – „Wie fest? Like forever?“ Und eine weitere Sache machte mir dort schwer zu schaffen: Regeln, die für mich keinen Sinn ergaben. Puh! Warum sollte ich z.B. stundenlang tatenlos rumsitzen, bis eine Entscheidung die Hierarchie-Leiter hoch und wieder runter gekrochen kam, obwohl eine andere, vielleicht etwas unkonventionellere, aber in jedem fall praktischeres Lösung, in sekundenschnelle bei mir aufploppte? Es war also absehbar, dass aus einem Hotelkonzern und mir keine Beziehung für die Ewigkeit werden würde. Kaum bot sich ein neues Abenteuer an, war ich daher weg.
Es folgten verschiedene Jobs im Gastro und Eventbereich und einen liebte ich dabei besonders: Event Coordinator bei einem Servicedienstleister. Hier konnte ich meine Scanner Skills voll ausleben. Es gab ständig neue Herausforderungen, wechselnde Events, keine Langeweile. Vernetztes Denken und schnelle Lösungen warn hoch gefragt. Und Empathie und Begeisterungsfähigkeit konnten auch nicht schaden, um das Team davon zu überzeugen, dass es echt Spaß machen kann, nachts um 1:30 Uhr noch 45kg Besteck zu polieren.
Weil aber auch das irgendwann nicht mehr genug war, startet ich besagtes Studium und hielt irgendwann, inspiriert vom kauzigen Dozenten das Buch von Barbara Sher in den Händen. Ja, plötzlich machte alles Sinn, denn ich konnte im Grunde hinter jeder Eigenschaft, hinter jeder Beschreibung einer Scanner Persönlichkeit nen Haken machen. Hier mal eine kleine Zusammenfassung:
Warum Scanner-Persönlichkeiten so ticken, wie sie ticken
Kreativität und Innovationskraft: Scanner-Persönlichkeiten finden, durch ihre kreative Art zu Denken und ihre Vielzahl an Ideen, oft unkonventionellen Lösungsansätze.
Vernetztes Denken und Flexibilität: Sie können Zusammenhänge leichter erkennen, die andere nicht sehen, hinterfragen das „Wir haben das schon immer so gemacht“ Muster und denken quer. Dadurch können sie sich flexibel neuen Bedingungen und Herausforderungen anpassen.
Unstillbare Neugier: Sie haben einen großen Hunger nach Neuem und lieben es neue Dinge zu entdecken. Der Wunsch neues Wissen zu sammeln ist größer, als sich auf altem Wissen auszuruhen.
Schnelle Auffassungsgabe und Wechsel zwischen Themen: Scanner-Persönlichkeiten sind gut Autodidakten/innen, es fällt ihnen leicht sich selbst Themen anzueignen und sich schnell einzuarbeiten. Dadurch fällt es ihnen auch leicht zwischen Themen, Projekten und Interessen zu springen.
Vielseitigkeit und Vielbegabung: Es gibt viele verschiedene Bereiche die sie nicht nur interessieren, sondern in denen sie in der Regel auch sehr gut sind.
Hohe Empathie, Motivationsfähigkeit & Intuition: Sie können sich gut in andere Menschen hineinversetzen und sind stark darin andere mitzureisen, zu motivieren und zu vernetzen. Scanner-Persönlichkeiten haben eine starke Intuition und viele von ihnen sind hochsensibel.
Die Realität der Vielbegabten: Wenn Begeisterung und Zweifel sich abwechseln
Im ersten Moment fühlte ich mich gleichzeitig überrollt und beflügelt. Ich fühlte mich verstanden – und stellte mir die Frage: Was mache ich jetzt mit diesem Wissen? Eines wusste ich sofort: Für immer angestellt bleiben ist keine Option. In welchem Bereich ich mich selbständig machen wollte? Keine Ahnung.
Also testete ich mich erstmal noch weiter durch die verschiedenen Optionen als Angestellte. War eine weitere Saison auf Mallorca tätig, diesmal im Team einer Wedding Plannerin. Ging danach in meinen ersten Bürojob, der mich – surprise – so schnell langweilte, dass ich nach nem halben Jahr wieder weg war und war im Anschluss Teil eines Start Ups in der Münchner Gastroszene, das grandios scheiterte.
Parallel gründete ich selbst. Parallel ist überhaupt mein Lieblingsmodus. Mein Lebenslauf liest sich wie eine Serie mit zwölf Handlungssträngen, die alle gleichzeitig laufen. Studium neben Eventjob. Gründung neben Start-up. Nebenjobs, um das alles zu finanzieren. Zweite Businessidee in der Pipeline. Ich liebe das. Andere finden es verwirrend.
Mein Gründungsberater war regelrecht überfordert, als ich ihm meinen Businessplan mit drei Standbeinen vorlegte, die für mich völlig logisch zusammenpassten. Er bestand darauf, mich auf eine Sache zu konzentrieren. Öde. Aber ok. Musste ihm ja nicht verraten, dass ich schon an der Wedding Day Management Website arbeitete, während er gegencheckt, ob mein Projekt Management Business Plan passte 😉
Und so kam mal wieder eins zum anderen. Ich hatte meine Projekte, parallel die ersten Hochzeiten, parallel ne Teilzeitanstellung, parallel machte ich meine Ausbildung zur Trainerin für Erwachsenenbildung und Weiterbildung. Denn dieses Trainings und Mentorings Thema lies mich auch nicht los. Und kaum hatte ich mich versehen, lief da das dritte Standbein mit Zeitmanagement Mentorings für Soloselbständige an. Eigentlich nicht geplant, aber wenn dich so viele fragen, wie du alles unter einen Hut bekommst, wäre es ja fast frech, es für dich zu behalten, oder? 😉
Die Ideen kommen zu mir. Ich springe rein, eigne mir alles an was ich dafür braucht, bringe es auf die Straße. Und ja – so schnell, wie die Begeisterung kommt, kann sie auch wieder gehen. Für Außenstehende schwer zu verstehen. Für mich völlig normal. Apropos Unverständnis.
Typische Vorwürfe an Scanner & Vielseitige Selbstständige
„Leg dich doch mal auf eine Sache fest!“
„Das ist aber ein ganz schöner Bauchladen, den du da anbietest!“
„Willst du schon wieder was Neues anfangen?“
„Kannst du nicht einfach mal zufrieden sein?“
„Du hast doch schon genug Baustellen!“
„Das ist doch wieder so ein Hirngespinst von dir!“
Ich hab sie alle gehört. Mehr als einmal. Meist in Kombination mit, bis zum Hinterkopf, rollenden Augen. Und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass es mich kalt lässt. Und obwohl ich mir meiner Vielbegabung bewusst war, kam mir selbst so oft der Gedanke „Wann wird denn endlich der Moment kommen, an dem ich mal stehen bleiben kann? An dem nicht schon die nächste Idee auf mich wartet?“
Jede Vorstellungsrunde stresste mich. Denn wie soll man denn zusammenfassen, was ich alles mache? Am besten noch mit wenigen Worten? Meist sagte ich was von „Projekt- und Zeitmanagement“ was ja nicht falsch war, aber halt auch ähnlich verlockend klingt, wie wenn man ne Vistenkarte vom Finanzamt zückt. Ich wollte so sehr, dass alles zusammen passt. Dass ich eben nicht die mit nem Bauchladen bin. Dass es professionell ist, was ich mache und „endlich mal ein erwachsenes Business und kein weiteres Hirngespinst.“
Dabei hatte ich mehr als einmal bewiesen, dass ich keine Träumerin, sondern eine Macherin bin. Allerdings wirkt man in einer Welt voller Expert/innen halt wirklich wie ein buntes Zebra, wenn man sich nicht auf einen geradlinigen Weg festlegen kann und will.
Mein Wendepunkt: Als alles plötzlich zusammenpasste
Und dann kam dieser Moment, an dem ich dachte, ich müsste alles auf den Kopf stellen. Im Sommer 2025 war ich nur eine Unterschrift davon entfernt, ein Barre & Pilates Social Club-Konzept zu gründen (nochmal ne ganz besonderes Geschichte, zu der es vielleicht irgendwann einen extra Blogbeitrag geben wird) . Alle meine Themen unter einem Dach, kein Bauchladen mehr, sondern ein großes Projekt, das alles zusammenfügt. Alles fühlte sich richtig an – und gleichzeitig nicht.
Ich merkte plötzlich, dass all meine verschiedenen Facetten gar nicht gegeneinander arbeiten, sondern sich perfekt ergänzen, auch ohne ein riesiges Ding draus zu machen. Dass das, was mich so lange verwirrt hat, mein größtes Geschenk ist. Und dass genau die Menschen, die so ticken wie ich, meine Zielgruppe sind.
Multipreneure. Multiprofessionals. Menschen, die viele Rollen tragen – sie alle leben wollen, aber nicht wissen, wie sie das hinbekommen sollen. Denen vielleicht auch mal der rote Faden fehlt und der Blick dafür, wie alle diese Mosaiksteinchen so zusammenpassen, damit ein großes Bild daraus wird und nicht nur ein bunter Haufen.
Also entschloss ich mich gegen das Barre & Pilates Social Club-Konzept und dafür mein eigenes Mosaik noch viel bewusster zu leben und auch nach außen zu zeigen und damit anderen vielbegabten Selbständigen dabei zu helfen, ihre eigene individuelle Version zu gestalten.
Ich musste viele Jahre lernen, dass meine Vielseitigkeit kein Fehler ist. Dass sie mich trägt, statt mich zu überfordern. Und dass genau das meine größte Stärke ist.
Heute arbeite ich mit Menschen, die so sind wie ich. Menschen, die sich nicht länger zwischen ihren Leidenschaften entscheiden wollen. Die verstanden haben, dass sie nicht zu viel sind – sondern einfach vielseitig.
Und genau das ist der schönste Beweis dafür, dass alles irgendwann Sinn ergibt.
Vielleicht nicht sofort. Aber immer dann, wenn du bereit bist, deine eigene Vielfalt anzunehmen.
Deine Julia
P.S. Persönlich bezeichne ich mich heute selbst nur ungern als „Scanner“. Klingt mir einfach zu sehr nach Bürobedarf 😉 Ich mag Multipreneur und Multiprofessional, auch vielbegabte Selbständige, weil es beschreibt, was es wirklich ist: ein Leben mit mehreren beruflichen Identitäten, die sich gegenseitig befruchten. Nicht Chaos, sondern Vielfalt. Nicht Sprunghaftigkeit, sondern Tiefe in verschiedenen Richtungen. Egal wie du dich bezeichnest, ich würde mich sehr freuen, wenn meine Geschichte dich dazu ermutigt deinen eigenen Weg zu finden und zu gehen.